Stewart O’Nan: Die Chance

Hat eine Ehe nach 30 Jahren noch eine Chance oder nicht? Stewart O’Nan lässt uns teilhaben an der Ehekrise der zwei Amerikaner Art und Marion. Beide reisen an den Ort ihrer Hochzeitreise – die Niagara Falls. Die Reise erfolgt diesmal im Gegensatz zu vor 30 Jahren unter sehr ungünstigen Voraussetzungen: das Ehepaar ist pleite, versucht seit einem Jahr sein Haus zu verkaufen und will sich trennen. Mit einem Billigangebot und dem letzten Bargeld wollen sie noch einmal ein paar Tage gemeinsam verbringen und im Idealfall im Casino richtig gewinnen.
Die Trennung scheint vor allem von Seiten Marions motiviert, die offenbar über eine Affäre von Art mit Wendy nicht hinwegkommt. Wendy und die Affäre sind am Anfang sehr dominant, so dass man direkt den Auslöser der Krise darin sieht und sich erhofft, die beiden raufen sich zusammen. Umso erstaunter war ich, als herauskam, dass die Affäre schon 20 Jahre her ist. Das aber dies immer noch so dominant zwischen beiden steht, ist erstaunlich. Es scheint, als haben beide nur der Kinder wegen es so lange durchgehalten. Ihren beiden Kindern haben sie demzufolge auch von ihren Plänen zur Trennung noch nichts erzählt. 
Art und Marion pflegen trotz der Trennungsabsichten noch einen sehr zärtlichen Umgang miteinander, wobei vor allem Art Marion alles recht machen will und quasi permanent auf der Hut ist, wie sie wohl reagiert. Marion ist für mich auch völlig unverständlich geblieben – freut sie sich einerseits aufs Singleleben und ist genervt von vielen kleinen Dingen die Art tut, springt auf der anderen Seite aber trotzdem mit ihm durchs Bett…Beide scheinen sich letztlich nicht im Klaren zu sein, was sie möchten und das Klischee vom oberflächlichen, nicht reflektierenden Amerikaner hat der Autor hier gut eingefangen. 
Im ganzen Buch spielt Alkohol eine sehr große Rolle. Immer wieder werden Drinks bestellt, getrunken, Flaschen geöffnet – das alles offenbar, um die Zunge zu lockern und endlich ins Gespräch zu kommen. Auch über die tolle Aussicht, alle Attraktivitäten vor Ort wird sehr oft berichtet. Fast schon ein kleiner Reiseberichtam Rande.
Die jedem Kapitel vorangestellte Wahrscheinlichkeit (z. Bsp. „Wahrscheinlichkeit, dass ein Paar eine zweite Hochzeitsreise zum selnem Ort unternimmt: 1:9“) gibt immer schon einen Hinweis auf den Inhalt des Kapitels und fand ich als ein sehr witziges Element. 
Für mich wurde die Chance aber vertan, einen fesselnden Roman zu schreiben. Die Geschichte plätschert dahin, hat kaum Höhepunkte oder Spannung. Die beiden Hauptpersonen waren mir zu oberflächlich und das Ende einerseits zu abrupt anderseits zu kitschig. Der Roman ist auf sehr wenige Personen, Orte und Handlungen beschränkt, was eine gute Chance ist, eine sehr tiefgehende Geschichte zu erzählen. Leider bleibt sie aber nichtssagend. Ich habe mich nur mit Mühe zum Ende durchgelesen, da ich letztlich den Ausgang der Ehe bzw. der Chance wissen wollte.

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